Deutschlandbesuch und Täglich Grüßt das Murmeltier

IMG_5187Wir waren zurück von unserer 2. Route, heil und gesund, zurück von den Windward-Islands, zurück auf den BVIs. Bevor es nach Nanny Cay ins Hurricane-Depot ging, hatten wir 2 wunderschöne Wochen Segelzeit für uns in den uns mittlerweile so bekannten Gewässern.

Schließlich ist es das dritte Mal, dass wir hier sind. Trotzdem haben wir neue Sachen entdeckt: Beach Party mit unseren Freunden vor Virgin Gorda in der traumhaften Bucht nahe Savannah Bay, Vicky und Nigel besucht in Moony Bay, Abstecher zu den Seal Dog Inseln und Ankern vor Necker Island inklusive Riff-Tauchen für Erwachsene. Atemberaubend und absolut majestätisch.

Dann war Arbeit angesagt. Das Boot wurde auf Vordermann gebracht. Viele Sachen waren im letzten halben Jahr liegengeblieben oder wurden einfach aufgeschoben. Die letzten Wochen war unser Lieblingssatz „Das machen wir dann in Nanny Cay.“
Aber irgendwann war fast alles geschafft und unsere Flüge gingen in Richtung Hamburg…

Hmmmm…
Wo und vor allem wie soll ich beginnen?

Unser zweiter „Heimatbesuch“.
Und dieser fühlte sich dieses Mal schon ganz anders an, als der Erste.
Man stellt an sich selbst schon eine Veränderung fest.
Eine größere Distanz. Eine andere Sicht der Dinge, eine anderes Stressempfinden.
Das mag sich komisch anhören, aber da ist zu allererst dieses Großstadt-Tempo.
Und die vielen Menschen.
Die vielen Autos.
Deutschland ist so schnell.

Am ersten Abend bei Tini und Steffen zum Beispiel. Willkommensgrillen mit Family & Friends. Und ich wollte endlich mein langersehntes Krombacher-Sixpack und die Tüte Chipsfrisch „ungarisch“. Dazu musste ich zum nahegelegenen Penny Markt auf die andere Straßenseite. 6 Spuren. Fußgängerampel, die man sich mit Fahrradfahrern teilen muss. Kein Witz, ich habe zwei Ampelphasen fürs Überqueren gebraucht. Alles ging so schnell. Links und rechts überholt dich jeder. Und dann fahren auch sofort die vielen Autos wieder. So viele Autos. So schnell. So dicht und laut. Im Penny selbst sag ich freundlich „Guten Abend“. Alle drehen sich um und gucken mich schräg an. Oops, sorry, ich bin das so gewöhnt.

Der spontane Grillabend selbst war dann natürlich superschön. Beim frisch vermählten Ehepaar Hofemann mit süßer Schul-Emma ist es sowieso schön wie immer und so, als ob man sich erst gestern das letzte Mal gesehen hätte. Aber schließlich hatten wir auch unsere 7 ½ Wochen… 😉

Oh Mann, aber die Kinder sind groß geworden. Allen voran Livia, Johann und Mathilda.
Oh Mann, was doch ein Jahr ausmachen kann…

Ansonsten war´s irgendwie wie immer – und das ist schön gemeint.
Dirk hat viel zu tun, Lifethek läuft an und bringt viel Arbeit mit sich. Manfred geht´s nach bösen Schrecksekunden aus dem Frühling wieder viel besser. Renate lässt sich sowieso nicht unterkriegen. Anja und die Kidz, was soll ich sagen, werden langsam alle erwachsen und kämpfen sich tapfer durchs Leben. Ein sehr schöner Abend bei Gundu und Norman, ach war das nett. Sandy, Angelika und Ralph sehen gut aus – auch wie immer. Steffen und ich fahren nach Heiligenhafen, um seinen Vater Klaus zu besuchen – leider ein letztes Mal. Diana fliegt mit Sandy nach Malle, um Shanghai-Betty in ihrer neuen Heimat zu besuchen. Eine verrückte Idee ist Wirklichkeit geworden, geboren auf SCOOBY. Nebenbei trifft sie kurz Yves, ohne den wir wahrscheinlich heute gar nicht hier wären. Witzig. Deborah ist im Stress, auch wie immer, und Scarlett wird von Tag zu Tag schöner. Diana und ich besuchen das Schwabenland: Großeltern, Schwiegereltern, Ilona und Henry mit den beiden besten Jungs Jakob und Moritz! Friedrich und Brigitte zeigen mir den Bodensee, sogar mit Segelbooten drauf. In der Kneipe da unten treffe ich durch Zufall Herrn Engel – für Felix und Daniela bleibt leider keine Zeit mehr. Im Flieger geht’s alleine zurück nach Hamburg, vor, neben und hinter mir rotzt und schnupft das halbe Flugzeug.

Wohl „Dank“ dieser Rotzerei befällt mich das gemeine Hamburger Herbst-Grippe-Virus und legt mich flach. Damit gerät der Abend mit Dirk, Kai-Achim und Hartmut – letztere waren extra aus Düsseldorf und Köln angereist – leider zu einem traurigen Auftritt: nach sage und schreibe Null-Komma-Null Bieren und gerade mal knapp zwei Stunden muss ich die Segel streichen und zurück ins Bett. Sorry dafür Jungs! Wie man aber hörte, hatten die Drei auch ohne mich Spaß…

Diana bleibt für zwei weitere Wochen unten in Süddeutschland und verbringt nochmal viel Zeit mit ihrer Familie. Daher verpasst sie auch Renate´s Geburtstag. Meine Mutter, die mit 75 noch so mancher 55 Jährigen Konkurrenz machen könnte! Es ist schön, nochmal kurz Jochen und Regine und Ursel und Klaus wiederzusehen. Immer wieder erfrischend, Neuigkeiten aus der Hauptstadt zu erfahren, gespickt mit Ironie und schwarzem Humor ;-))

Dann ist die Zeit auch schon wieder um und es wird Herbst in Deutschland. Tag genau 12 Monate nach unserem letzten Deutschlandbesuch mache ich mich alleine auf den Weg zurück in unsere neue Heimat. Und es geht wieder über Atlanta – inklusive Übernachtung auf diesem ach so seltsamen Flughafen…

Zuerst aber setzt der schwerbepackte und vollbesetzte Airbus zum Landeanflug an. Es blitzt und donnert. Regen peitscht gegen die Kabinenfenster. Die Sicht ist Null. Ich höre wie das Fahrwerk ausfährt, die Landeklappen quietschen, die Tragflächen biegen sich und blitzen in der Nacht. Wo bitte ist die Landebahn? Der Landeanflug kommt mir ewig vor. Man kann keine Hand vor Augen sehen. Dann der Touchdown! Hart und plötzlich! Die Turbinen jaulen kreischend auf, die ganze Aluminium-Konstruktion des Fliegers scheint zusammen gestaucht zu werden. Alles ächzt, das Material stöhnt. Au Backe. Doch das Flugzeug kommt nicht zum stehen. Verdammt! Und wieder kreischen die Turbinen! Diesmal in einem grell pfeifenden Ton! Ich werde in meine Rücklehne gepresst, die Maschine beschleunigt wieder was das Zeug hält. Wann kommt das Ende der Landebahn? Au Mann! Fast senkrecht steigt das Metall-Monstrum wieder auf in den Nachthimmel. Es ist totenstill an Bord. Seltsam. Ich dachte immer, bei sowas kommt totale Panik auf…

Der zweite Anlauf klappt.
Ich glaube, ich hab zwei Minuten lang die Luft angehalten.
Nochmal Schwein gehabt!

Etwas wackelig stehe ich vorm höflichen Grenzbeamten und bin etwas verdaddert, als der mich fragt, was ich denn in den USA so wolle. Sämtliche NSA-Witze und dass er das doch eigentlich schon längst wissen müsste, verkneife ich mir, denn ich will endlich nur schlafen. Und das sage ich ihm dann auch und nach einigem Hin- und Her darf ich den Flughafen betreten.

Es beginnt schon mit dem einladenden Lichtdesign, das eher an die Gestaltung einer McDonalds Toilette in den 90er Jahren auf der Reeperbahn erinnert, als man dort mithilfe von eiskalt-blauem Neonlicht erfolgreich versuchte, die Heroinjunkies von den WCs zu vertreiben. Keine Nadel fand fortan mehr ihren Weg in die Vene, da das blaue Licht den gesamten menschlichen Körper in eine blaue Zombie-Kreatur verwandelte.

Nach dem holprigen Landeanflug ungefähr selber so aussehend wie ein Zombie, wandle ich also wieder durch Terminal F, das sich schnell leert, wo alle Bars und Läden sofort schließen und alles bald menschenleer ist. Alles ist so vertraut. Neben dem blauen Neonlicht empfangen einen altbekanntes Pornogedudel und Fahrstuhl-Mukke. Funky Modern Crossover Jazz. Mit crazy Saxophon und wilder Oboe. „Hello Again“ dudelt in mindestens fünf Varianten – die härteste mit Flamenco-Einschlägen. Das erinnert mich daran, mal zu googeln, ob Lionel Richie gegebenenfalls ein Sohn Atlantas ist.
Und täglich grüßt das Murmeltier. Die Endlosschleife nudelt und nudelt. Damit könnte man jeden noch so harten Guantanamo-Häftling effektiver weichkochen, als mit Waterboarding.

Unterbrochen wird das Ganze nur durch überlaute Sicherheitsansagen in 90-Sekunden Intervallen. Man möge doch bitte keine Gepäckstücke von Fremden annehmen. Meinen die das im ernst? „Hey Fremder, halt bitte mal für mich dieses C4-Sprengstoff-Päckchen und nimm´s mit nach Washington!“

Jedes Mal, wenn ich gerade dabei bin auf dem super unbequemen Sessel, dessen Stoffbezug nach ollem Pipi und Pups riecht, einzupennen, kommt die nächste Terror-Warnung: „ Your attention please! Airport Security Alert! Report all unattended luggage or suspicious people to your next law enforcement officer!“

Mann, das nervt und langweilt mich zu Tode. Ich wünschte, ich würde hier mal ein paar Suspicious People sehen und spiele einen 911-Notruf durch, mit gefaketer Bombendrohung und so, damit hier mal Stimmung im Terminal aufkommt.

Ich kann so nicht pennen!
Wann schaltet mal einer diese Durchsagen ab?
Ich werd noch bekloppt!

„Im unwahrscheinlichen Falle eines Abfallens des Kabinendrucks ziehen Sie bitte die Sauerstoffmasken fest zu sich heran!“
Hä? Falsche Durchsage oder was?
Oder fällt so allmählich in meinem Oberstübchen der Druck ab…
Oder liegt´s am dritten 1-Liter-Becher Starbucks-Kaffee? Kochendheiß, total verbrüht, total überröstet…

Der Rest der Nacht vergeht wie zähes Kaugummi im Halbschlaf.
Halluzinierend zwischen Wahn und Wirklichkeit.
Mich herumwälzend auf dem muffigen Sessel.

Dann erwacht der Flughafen so langsam wieder. Grimmig drein blickende Grenzer- und Putzkolonnen schieben sich an mir vorbei und beargwöhnen mich dabei skeptisch. In deren Augen bin ich wohl eine „Suspicious Person“…

Der erste Flieger bringt mich weg von Atlanta.
Puh.

Auf St. Thomas landen wir bei herrlichem Sonnenschein und 30 Grad.
Mit der Fähre geht´s rüber auf die BVIs.
Adrian holt mich ab.
Alles ist wie immer – bis auf eine Ausnahme:

Das erste Mal bin ich für fast zwei Wochen alleine auf dem Boot…

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