10 Runden Glück

DSC_2102Guana Island ist toll! Die Insel gehört dem alten Silber-Spekulanten, dem auch schon Norman-Island gehört. Privat. Keine Touristen. Wer in einer der Villas wohnen möchte muss um die Weihnachtszeit gute 10.000 Dollar bezahlen. Am Tag, für eine 2 oder 3 Bedrooom-Villa. Nicht schlecht.

Dafür gibt es dann eine einsame Insel. Einen leeren Strand und keine Heineken-Beachbars. Wir ankern genau davor, vor White Bay. Der Name ist Programm, sämtliche epischen Beschreibungen erspare ich mir. Irgendwann kommt ein zweites Boot. Na ja, kein Boot, sondern ein Schiff: die Mega-Mega-Yacht Vibrant Curiosity vom Schrauben-Würth, dem Steuerhinterzieher Milliardär aus dem fleißigen Ländle daheim. Witzig.

Zwei Tage bleiben wir noch da und fahren dann 500 Meter weiter nach Süden nach Monkey Point. Der Wind wird noch etwas stärker, hier gibt es Muringe und man ist gut geschützt, hier wollen wir den „Sturm“ abwarten. Zudem ist das Snorkeling bei Monkey Point weltklasse.

Zwei Tage pfeift es ganz nett, immer wieder gesellen sich Boote zu uns, die sich auch schnell wieder verabschieden. Irgendwann kommt ein Charterboot aus Westen. Zwei junge Leute an Bord, so wie wir. Ich schaue den beiden zu. Das erste Muring-Ergattern-Manöver schlägt fehl. Der Typ steht vorne am Bug mit seinem Boothaken, um das Muringseil zu greifen, sie steuert. Er steht vorne, gibt keine Befehle. Es sind 30 Knoten Wind. Sie kann nicht sehen, was er sieht. So kann das nicht gehen. 1 Mal – 2 Mal vorbei. 3 Mal vorbei. Das sehen wir öfters hier, dass Leute die Muringe einfach nicht zufassen bekommen und dann einfach abdrehen, um eine andere Bucht anzulaufen, wo es einfacher ist. Dabei ist es so schön hier und die Beiden auf dem Boot sehen so nett aus und sie geben sich solche Mühe. Ich entscheide mich kurzerhand, ihnen zu helfen. Schnappe ein Seil, ab ins Dinghi und rüber zu den Beiden, die gerade beim vierten Anlegemanöver sind. Ich rufe, gestikuliere und biete meine Hilfe an. Die Zwei nehmen diese sofort gerne an. Ich fädle mein Seil vorne in die Muring-Leine ein und warte und winke. Die Beiden im Charterboot fahren ziemlich schnell auf mich zu. Ich signalisiere meine Position und was sie als nächstes zu tun hätten. Und ich signalisiere langsamer auf mich zu zufahren. Langsamer…

Zu spät. Das Boot schießt auf meine verlängerte Muringleine zu, der Typ am Bug erwischt sie zwar, aber das Boot fährt mit voll Speed weiter. Über die Leine rüber. Das Boot schiebt sich an mir im Dinghy vorbei. Ich gehe fast über Bord. Es gibt ein lautes Brummen. Dann ein Schnurren. Dann höre ich noch die Alarmtöne des absaufenden Schiffsdiesels, wenn dieser Probleme hat. Dann ist der Motor auch schon aus. Das Schiff macht einen harten Satz und steht für eine Sekunde. „Mann, die sind direkt über das Seil drüber…. Das ist jetzt bestimmt im Propeller“ denke ich mir. Leider richtig.

Denn Sekunden später ächzt das Schiff einmal auf, eine 35 Knoten Wind-Böe ergreift das Boot und dreht es sanft, aber bestimmt um 180 Grad. Schöne Scheiße, die beiden haben sich mit ihrer Schiffsschraube im Seil verfangen und nun liegt das Boot „verkehrtherum“ im Wind.

Steve und Megan kommen aus Seattle – und segeln schon seit über 10 Jahren. Heute ist wohl alles schiefgegangen. Wenn Steve jetzt bei der Charterfirma anruft, kommen die mit einem Speedboat gern zur Hilfe – kostet wohl aber 400-500 Dollar. Oops, teurer Spaß. Ein weiteres Mal biete ich meine Hilfe an: ich könnte ja mal tauchen gehen und schauen, wie groß der Schaden am Propeller ist, bzw. wie stark sich das Seil verfangen hat. Gesagt, getan. Mit Brotmesser und Taucherbrille geht es unter das Boot. Und siehe da, die Schiffsschraube hat sich um das etwa Unterarmdicke Grundseil der Muring gewickelt. Das ist Glück im Unglück, denn das Seil ist so dick, dass es weder beschädigt ist, noch sich wirklich fein um den Propeller gewickelt hat. Man kann es also mit Kraft wieder entwirren. Oben aber blasen über 30 Knoten Wind und es ist natürlich mächtig Druck auf dem Seil. Ich schildere den beiden die Situation unten und wir entschließen uns, ein weiteres Seil an der Muring zu befestigen, damit das andere entspannt wird. Und das klappt auch. Nach dem bestimmt 30. Tauchgang ist das Seil ab, das Boot dreht sich wieder um 180 Grad und liegt richtig. Wir alle Drei sind happy.

Megan lädt mich als Dankeschön auf ein Bier ein und drückt mir 100 Dollar für ein Abendessen in die Hand! Nicht schlecht… Ich lehne aber dankend ab, denn uns hat man auch viel geholfen und „what comes around goes around“ oder wie ich immer so schön denke: „etwas auf den Berg zurücktragen“… oder so…

Megan freut sich und bei Bier, Cracker und Schimmelkäse kommen wir ins quatschen. Megan liebt Delphine. Sie fragt mich, wie oft wir schon welche gesehen haben. 5, vielleicht sechs Mal. Nicht so häufig. Dann müssen die beiden los, sie fahren weiter nach Jost van Dyke. Straffes Chartergäste-Programm.

Wir bleiben da, es ist Spätnachmittag.
Und plötzlich passiert es.

Ein Delphin taucht aus dem Wasser auf, direkt neben SCOOBY. Er schaut mich an. Wedelt mit dem Kopf und schnattert „Komm rein – schwimm mit mir!“

Na klar! Sofort! Ich schreie nach Diana, greife mir meine Flossen und Brille und springe über Bord. Der Delphin ist ganz nah. Und groß. Größer, als er vom Boot oben ausgesehen hat. Essen Delphine eigentlich Menschen? Egal, dieser Delphin ist lieb. Er schwimmt direkt vor mir. Langsam, so dass ich hinterher komme. Wenn ich meine Arme ausstrecken würde, könnte ich seine Flossen berühren. Immer wieder dreht er sich nach mir um, schwimmt dann ein bißchen vorweg und wartet dann. Dann geht’s runter, ich folge. Wir schweben durch die blaue Tiefe. Immer um SCOOBY rum. Eine Runde. Dann die nächste. Und so weiter. Immer rum. Immer, wenn ich zum Luftholen auftauchen muss, wartet der Delphin, dann geht’s weiter.

Und selbst ich als „Harter Hund“, den sonst nichts so schnell berührt, muss gestehen, diese Tiere haben schon etwas Besonderes. Irgendwie ist da eine kommunikative Verbindung, etwas Übersinnliches. Dieser Delphin macht mich glücklich. Ich schwimme mich in einen regelrechten Rausch. Das tiefe, kristallklare Wasser um mich herum, die Fische, die schöne, farbenprächtige Unterwasserwelt. Ich vergesse fast das Atmen und denke in einem Augenblick, was passiert wohl, wenn ich jetzt einfach unter Wasser „Luft“ hole? Ich bin ein Fisch, ich kann schwimmen und unter Wasser atmen…

Seite an Seite drehen wir unsere Runden um SCOOBY. Ich kann das Glück bis in die letzte Kapillare meiner Adern spüren. Aber irgendwann auch die Erschöpfung. Ich kann nicht mehr! Überglücklich lasse ich mich im Wasser treiben. Der Delphin dreht sich noch ein paar Mal um, dann verschwindet er in der dunkelblauen Finsternis.

Wir bleiben noch ein paar erfüllte Tage vor Monkey Point und segeln dann in Richtung Nanny Cay. Weihnachten steht vor der Tür!

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