Nick und Jayne fliegen nach Amerika. Eltern besuchen und Regatta in Chicago fahren. Und wir passen in der Zwischenzeit auf ihre Wohnung auf. Ein schönes Apartment in einer rosafarbenden Villa in den Bergen über Nanny Cay. Tolle Terrasse mit einem Wahnsinnsausblick über die halben Virgin Islands. Von oben kann man sogar SCOOBY sehen.Und natürlich haben wir ein echtes Bett. Ein großes echtes Bett. Und natürlich eine echte Toilette. Eine echte, große Toilette. Und dazu gibt´s noch einen riesigen Flatscreen-TV. Seit fast 1 ½ Jahren hatte ich keine Fernbedienung mehr in der Hand, ich freu mich wie ein kleiner Junge…
Wir wohnen jetzt also in einer rosa Villa in der Karibik und schauen auf unsere weiße Segelyacht herunter. Es gibt schlimmere Jobs, denke ich mir.
Zunächst sitzen wir zwei Seefahrer in einem schicken weißen Geländewagen und besprechen, was wir uns wohl am ersten Abend zum Essen machen könnten. Schließlich haben wir das erste Mal seit 1 ½ Jahren wieder einem „echten“ Komfortherd, mit 4 Platten und großem Ofen.
Was wir uns aussuchen, könnte profaner nicht sein: die Wahl fällt auf Tiefkühlpizza! Ebenfalls seit 1 ½ Jahren nicht gehabt. Wir freuen uns wie zwei Schneekönige.
Mit einem breiten Grinsen schlängeln wir uns die steilen Serpentinen herauf und werden dort vom freundlichen Villa-Rottweiler begrüßt. Machen sich jetzt endlich die 3 Hammer-Tollwut-Spritzen aus Hamburg bezahlt?
Nein, denn der Rottweiler will nur spielen.
Wir kommen in die Wohnung und fühlen uns irgendwie komisch.
Und dann nehmen die Dinge ihren Lauf.
Zunächst einmal muss die große, 2-flügelige Terrassentür aufgeschlossen werden, damit Luft in die Bude kommt und wir den herrlichen Ausblick zum Feierabend genießen können. Aber die Tür will nicht aufgehen.
Nach 20 Minuten Schlüssel-Gestochere geben wir entnervt und nass geschwitzt auf.
Diana geht hoch zum „Landlord“, so heißen Vermieter hier.
Sie kommt zurück mit einem Ende 20-Jährigem Farbigen in Basketballhose und Adiletten – in denen er natürlich Tennissocken trägt. Obenrum darf die schwere Goldkette natürlich nicht fehlen.
In meinem nächsten Leben werde ich auch Landlord auf den BVIs, denke ich mir.
Die Tür ist also auf.
Die karibische Brise weht den Berg hinauf direkt in unser Wohnzimmer.
Herrlich.
Zeit fürs Fernsehprogramm.
Doch wie geht der Fernseher an?
Oh meine Güte, da liegen 4 (!) Fernbedienungen, der Fernseher ist an eine Set-Top-Kabel-Box angeschlossen, die wiederum an eine X-Box und dann ist da noch die iPad-iPod-iPhone-Dockingstation, über die alles gebündelt wird.
Nach einer guten halben Stunde habe ich das erste Flimmern auf dem Schirm.
Und fange an, mich unbeholfen durch 100 amerikanisch-karibisch Sender zu zappen. Jeder Sender wird dabei genau für 10 Sekunden geguckt, dann wird weiter geschaltet zum nächsten.
Nach zehn Minuten ist mir schwindelig.
Diana versucht sich derweil mit der Pizzazubereitung.
Immer wieder höre ich sie aus der Küche fluchen, aber das Fernsehen braucht meine volle Aufmerksamkeit.
Nach einer weiteren halben Stunde kommt sie entnervt zu mir und bittet um Hilfe.
Der Ofen geht irgendwie nicht.
Ist irgendwie nicht zu bedienen.
Und recht hat sie.
Das Monstrum-Ding von einem Ofen ist zwar voll auf Retro-Gasherd gemacht, ansonsten aber voll digital. Alle analogen Schalter oder Hebel sind wohl nur Fassade, das Ding wird über eine voll automatisierte Display-Konsole zentral angesteuert.
Manno.
Wir beide gucken im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre, aber nichts tut sich. Nach fast zwei Stunden knabbern wir an steinharter, kalter Pizza, oder an dem, was mal eine Pizza hätte werden können. Zumindest ist die Bude nicht abgefackelt.
Mittlerweile ist es dunkel geworden, durch die offene Terrassentür hören wir das Zirpen der Grillen und das Rauschen des Meeres. Langsam beruhigen sich die Gemüter wieder.
Bis Diana hinterm Sofa über der Stehlampe plötzlich das Flattern sieht…
Ganz unbemerkt haben sich ungefähr 8 ½ Millionen Käfer und Motten und andere Flugwesen mit uns gemeinsam zum Fernsehen im Wohnzimmer eingefunden.
Wir sind geschockt!
Wo kommen all die Tiere her?
Wie sollen wir die bloß wieder rauskriegen?
Letzte Chance: Licht aus!
Fernsehen aus!
Wir sitzen im Dunklen.
Ratlos, verunsichert, erschöpft.
Das haben wir uns anders vorgestellt.
Wir wollen zurück auf unser Boot…
Im Dunklen tasten wir uns in unser großes Bett. Wenigstens etwas. Da kann nichts mehr schief gehen, denke ich mir, da weiß ich wie das geht.
Denkste!
Augen zu und ab geht die wilde Fahrt.
Obwohl das Bett natürlich fest auf dem Boden steht, bewegt es sich in welligen Auf- und Ab-Bewegungen durch den Raum. Nicht doll, aber spürbar.
Wir beide kriegen die halbe Nacht kein Auge zu…
Mitten in der Nacht muss ich hoch.
Muss auf Toilette.
Im Dunklen schleiche ich durch die Wohnung.
Es flattert und surrt im Flur von überall her.
Dann sitze ich auf der Schüssel.
Das Toilettenwasser ist durch irrgendein WC-Zusatz tiefblau eingefärbt.
Ich mache Pipi. Viel Pipi.
Und verliere mich dabei nachttrunkend in Gedanken:
Wenn ich richtig viel Pipi mache, wird das blaue Wasser dann eigentlich grün?
Grün wie eine Heineken-Flasche?
Und ganz plötzlich fühle ich mich wie ein Ostdeutscher am 10. November 1989, nach seinem ersten Ausflug auf den Kudamm. Aufgeregt und überfordert. Alles war so neu. All die bunten und fremden Lichter und Menschen aufm Kudamm. Alles war so ungewohnt.
Müde schaue ich hinunter durch meine Beine und muss schmunzeln, denn das Wasser ist tatsächlich fast grün geworden.
Bin gespannt, wie unser Deutschlandbesuch verläuft…
hilarious!!…ich freu mich jedenfalls jetzt schon auf den Deutschland Blog 🙂