SABA, das Abenteuer

Es ist 06:30 Uhr und der Wecker klingelt!
Schon zum dritten Mal hintereinander in dieser Woche.
Und es wiederholt sich das gleiche Ritual: Wellen gucken, Wind schnuppern, Wetter checken… Ist die Luft rein, um nach SABA zu segeln?

Bereits am Mittwoch wollten wir los, nun ist schon Freitag und wir liegen immer noch vor MARIGOT und warten, nachdem wir nach unserem ANGUILLA-Trip auf ST. MARTIN Zwischenstopp eingelegt hatten, um Wasser, Diesel und Futter zu bunkern. Doch immer war das Wetter schwierig. Viel Wind und vor allem viel Wellen und das auch noch aus Norden. Keine guten Bedingungen, um nach SABA zu segeln, der verwunschenen Vulkaninsel im Süden. Denn dort gibt es quasi nur einen Ankerplatz – an der Westküste – und keinerlei Strände. Ein gewaltiger Felsklotz, der sich fast senkrecht aus dem Meer erhebt und dann bis auf fast 1.000 Meter ansteigt. Der Vulkangipfel liegt fast immer in den Wolken – die Felswände hingegen fallen direkt schroff ins Meer ab und schon einige Meter vom Ufer entfernt ist das Wasser schnell über 100 Meter tief. Ankern? Keine Chance! Und eben bei Nordschwell ganz, ganz ungemütlich…

Heute aber fassen wir uns ein Herz und sagen: „Los geht´s!“ Auch, wenn die Wellen noch etwa 3 Meter hoch sein sollen und erst Morgen wieder auf Ost drehen.

Im gleissenden Morgenlicht verlassen wir die Bucht von MARIGOT und laufen gen Süden. Langsam verschwinden ST. MARTIN und ANGUILLA hinter uns. Die See ist rau. Vor allem, sobald wir aus dem Wind- und Wellenschatten der Insel kommen. Nun donnern die Wellen, die seit tausenden von Kilometern ungebremst über den Atlantik rollen, direkt auf uns ein. Aber auch der Wind ist ungebremst. Und so machen wir trotz Wellen von über 3 Metern schnell mehr als 8 Knoten Fahrt! Das ist viel…

Diana krallt sich ans Steuerrad und geht Kurs 205 Grad. Wann und wo taucht SABA am Horizont aus? Die Insel ist so massiv und gewaltig, dass man sie schon aus zig Meilen Entfernung sehen müsste…

Doch das erste, was wir sehen, verschlägt uns den Atem!
Direkt links neben uns öffnet sich plötzlich das Meer!
Eine weiß-schäumende Wassersäule schießt empor, in ihr ein sich wild drehendes schwarz-blaues Etwas…  

Ein Wal!

Er fliegt fast wie in Zeitlupe aus dem Wasser, dreht sich im Flug um fast 180 Grad und klatscht dann auf dem Rücken zurück ins Meer! 

Das ist jetzt nicht der Ernst!? Wir beide schreien uns gegenseitig an: „Ein Waaaaaaal!!! Hast Du den gesehen???!!!!“ 

Doch zu übersehen war der nicht. Und im selben Augenblick steigt dieses mindestens 20 Meter große RIESEN-Ungetüm ein zweites Mal aus dem Wasser, fliegt im hohen Bogen durch die Luft und klatscht dabei mit seinen gigantischen Bauchflossen bis es wieder in der tosenden See versinkt. Und dann ein drittes Mal. Und ein viertes Mal. SCOOBY kämpft sich im Autopilot mit fast 8 Knoten durch die stürmische See und Diana und ich sitzen mit offenen Mündern an der Reling und können unser Glück kaum fassen… 

Nach ca. 10 Minuten ist die Vorstellung vorbei. Besser als jedes Delphinarium es jemals hätte einstudieren können, winkt uns der Wal zum Abschied mit seiner Schwanzflosse. Wieder und immer wieder. Wir sind fassungslos und rauschen weiter Richtung SABA!

Doch die See wird immer rauer. Und irgendwann gibt es dann die zweite Premiere an diesem Tag – auf die wir allerdings gerne hätten verzichten können: Diana wird seekrank. Und zwar wie!

Schon vor einer halben Stunde habe ich an meiner Steuerfrau einen leicht gelblich-grün-grauen Gesichtston ausmachen können. Schweigend isst sie ihre Karotte, die gegen einsetzende Seekrankheit helfen soll. Doch heute hilft nichts mehr: im hohen Bogen opfert Diana erst den Fischen und dann Neptun…

Umkehren? Wir sind etwa genau in der Mitte der Passage… Und auch das Wetter vor uns verheißt nichts Gutes: während ich Diana noch von hinten halte und Taschentücher reiche, sehe ich aus dem Augenwinkel einen Squall auf uns zuziehen. Ein Squall ist so etwas wie ein kleines, lokales Sturmsystem, klein, aber heftig. Und unglaublich schnell da. Ich weiß, dass ich was machen muss. Reagieren muss. Ich weiß aber auch, dass ich Diana grade nicht alleine lassen kann…

Als es endlich wieder etwas geht und Diana mit dem spucken aufgehört hat, wird es Zeit. Fock runter! Für eine Kursänderung ist es eh zu spät.

Und auch für das Großsegel ist es zu spät – ich krieg das Mistding nicht mehr rechtzeitig runter…

Von links vorne schießt zischend eine graue Wand aus Wind, Regen und Gischt auf uns zu. Meter für Meter kommt dieses Monster auf dich zu, da kannst du richtig zugucken. Binnen Sekunden sinkt dann die Sicht auf Null und der Geräuschpegel steigt auf 100! SCOOBY taucht ein in den Squall. Sturm und Regen peitschen über uns hinweg! Klitschnass bis auf die Haut! Der Regen tut in den deinen Augen weh! Für ein Reff im Groß ist es längst zu spät – mit aller Gewalt runter mit dem Ding – Motor an und gegen die Wellen gegenanstampfen.

Doch so schnell wie der Spuk kam, so schnell ist er auch wieder beendet. Die letzte Sturmböe prasselt mit Stark-Regen frontal gegen SCOOBY, bis der sich plötzlich aus der Regenwand ins Freie schiebt… Der Himmel klart auf, die See beruhigt sich und vor uns ragt plötzlich die Silhouette von SABA aus dem Meer! Majestätisch und fast drohend, so als wollte uns die Insel sagen: „Noch seid ihr nicht da!“

Über SABA hatten wir schon viel gehört. Jeder erzählt dir was davon, die wenigsten waren selber da. Jeder hat mal etwas von jemandem gehört, die atemberaubende Schönheit, das raue Meer. Viel Seemannsgarn. Doch die meisten segeln an SABA vorbei – in sicherem Abstand ehrfurchtsvoll ergriffen von der erhabenen Statur dieses gigantischen Felsens mitten im weiten Ozean…

Doch wir waren nun fast am Ziel!
Aber auch nur fast…

Wie angewurzelt starren wir auf diesen Koloss. Schroffe Klippen und felsige Steilhänge, die senkrecht ins Meer abfallen. Weiter oben saftig-grüner Regenwald, der ganz oben am ehemaligen Vulkangipfel in den Wolken verschwindet. Was für ein Anblick!

Aber auch die schwarzen Wolken von Osten sind ein Anblick. Ein bedrohlicher Anblick! Sie schieben sich den Gipfel von der einen Seite rauf und ich weiß, was gleich passiert: sie rauschen auf der anderen Seite wieder hinunter…

„Gib Gas, Diana, gib Gas!“ rufe ich und glaube immer noch, unseren Ankerplatz rechtzeitig vor Einsetzen des zweiten Sturms erreichen zu können. Doch als der schwarze Wolken-Wall den Gipfel erreicht hat und über ihn hinüber quellt, um dann mit einem Affenzahn auf uns herabzuschießen, weiß ich, dass wir es nicht mehr schaffen.

„Dreh ab! Dreeeeh ab!, Diana!“

Keiner will in einem Squall direkt vor einer Felswand einer unbekannten Insel ein Anker- oder Muringmanöver hinlegen, vor allem nicht, wenn’s von oben richtig fetten Fallwind dazu gibt!

Diana dreht also um 180 Grad und stampft aufs offene Meer hinaus. Der Squall ergreift uns von hinten und hüllt uns in Sekunden wieder in graues und lärmendes Nass. Der Wind fällt die Steilwände von oben herab direkt auf SCOOBY und drückt uns gefühlt fast unter Wasser. Spooky…

Nass bis auf die Knochen – ein zweites Mal an diesem Tag! Nun ist aber gut, denke ich mir, wir sind doch schließlich hier in der Karibik… 

Und dann ist auch gut: der Himmel reißt wieder auf und es ist vorbei. Diana dreht, klatschnass und zitternd, ich ergreife ein Muringseil aus der Tiefe des Meeres und mache das Boot fest. Unter uns immer noch 60 Fuß Wasser. Ich starre hinunter. Noch nie in meinem Leben habe ich so klares, tief-blaues Wasser gesehen…

Wir lagen vor SABA.

Bis wir auf SABA waren, sollten noch zwei Tage vergehen…

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